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12 Das „Grüne Zimmer”

Eine schattige Oase mitten in der Stadt - gut für Mensch und Umwelt

Im Rathaushof gleich hinter dem Kulturzentrum steht das im April 2014 eröffnete „Grüne Zimmer“. Seine „lebenden“ Wände und Decken bestehen aus rund 7.000 Stauden und 40 Platanen, die insgesamt etwa 140 Quadratmeter Vegetationsfläche bilden. Das Grüne Zimmer erfüllt gleich mehrere Funktionen: Mit seinem satten Grün und den bunten Blüten lädt das grüne Wohnzimmer Passanten zum Verweilen ein. Vor allem im Sommer ist das schattige, kühle Plätzchen eine willkommene Ruhezone abseits der innerstädtischen Hektik. Durch das dichte Blätterwerk dringt kaum Straßenlärm. Und Duftpflanzen wie Lavendel, Nelken, Thymian und Minze lassen den Aufenthalt zum sinnlichen Erlebnis werden.
Auch für das Stadtklima ist das von den Stuttgarter Architekten ludwig.schönle entworfene Grüne Zimmer wertvoll – wie jeder Quadratmeter Grün, der die weitgehend versiegelten Innenstadtflächen durchbricht. Wie Bäume, Fassaden- und Dachbegrünungen bildet auch das Grüne Zimmer auf dem Rathausplatz eine kleine ökologische Nische. Die Wasserversorgung der kleinen Innenstadt-Oase ist nachhaltig: Ihre Bewässerungsanlage speist sich aus drei Zisternen, die insgesamt sechs Kubikmeter Regenwasser speichern können.

Pflanzen als Baumaterial

Das Grüne Zimmer ist ein gemeinsames Projekt des Verbands Region Stuttgart, des Instituts für Landschaftsplanung und Ökologie der Universität Stuttgart, der Stadt Ludwigsburg und dem Kornwestheimer Unternehmen Helix Pflanzen, das für den Bau und die Pflege verantwortlich ist.

Erprobt werden soll der Einsatz von Pflanzen als Baumaterial. Die „Bausteine“ der lebenden Zimmerwände bestehen aus Stahlgitterkörben unterschiedlicher Größe, die mit Kokos und Geotextil ausgekleidet sind und bepflanzt werden. Steigrohre und Tropfschläuche sorgen für die ausreichende Bewässerung und bedarfsgerechte Düngung jeder „Etage“ des grünen Bauwerks.

Erforscht werden soll, wie die grüne Insel aktiv zur Verbesserung der innerstädtischen Luftqualität beiträgt: Kann der Feinstaub in der Luft spürbar reduziert werden? Trägt das Grün zum Erhalt der lokalen Flora und Fauna bei? Siedeln sich Wildbienen und andere Insekten an? In den Pflanzkörben versteckte Messgeräte tragen dazu bei, diese Fragen zu beantworten.

Auch die Statik des Pflanzengebäudes steht unter besonderer Beobachtung der Forscher. Denn zur Bildung möglichst dichter und stabiler Baumdächer werden baubotanische Techniken eingesetzt. Die Pflanzen sollen untereinander sowie mit stützenden Konstruktionselementen zu einer „pflanzlich-technischen Verbundstruktur“ verwachsen. Pflanzen, die in der Senkrechten besonders gut wachsen, sollen durch das
Forschungsprojekt ebenfalls getestet werden.

Wertvolle Freiräume in der Stadt

Neu an dem Konzept des Grünen Zimmers ist sein vielfältiger Nutzen: Der innerstädtische Freiraum wird so gestaltet, dass alle etwas davon haben: Mensch und Natur, Flora und Fauna, Klima und Umwelt. Nicht zuletzt als Antwort auf den Klimawandel sollen sogenannte „städtische Klimakomfortzonen“ entstehen. Damit sind Bereiche im öffentlichen Raum gemeint, die trotz einer hohen Belastung durch Verkehr, Lärm und
andere Emissionen einen zumindest erträglichen, wenn nicht sogar angenehmen Aufenthalt ermöglichen – gerade auch an Hitzetagen.

Denn vor allem die dicht bebauten und schlechter durchlüfteten Innenstädte werden sich im Zuge des Klimawandels „aufheizen“. Der Klimaatlas des Verbands Region Stuttgart prognostiziert, dass sich in der Region Stuttgart die Tage mit Wärmebelastung bis zum Jahr 2100 verdoppeln werden. Da ist die Verwandlung einer innerstädtischen Hitzeinsel in eine kühle Komfortzone ein Gewinn!

Teil eines EU-Forschungsprojekts

Wie können Städte und Regionen mit Blick auf den Klimawandel zukunftsfähig gemacht werden? Das ist die Frage, die das EU-Forschungsprojekt „TURAS – nachhaltige Städte und Regionen“ beantworten will. Das Grüne Zimmer auf dem Platz hinter dem Ludwigsburger Kulturzentrum ist Teil dieses Forschungsprojekts, an dem insgesamt 28 Institutionen aus elf Staaten beteiligt sind. Bei dem Ludwigsburger Projekt stammen 135.000 Euro aus EU-Fördermitteln, bei Projektkosten von insgesamt 230.000 Euro.

Mitarbeiter der Universität Stuttgart und der Firma Helix Pflanzen untersuchen das Mikroklima in verschiedenen Zonen des Grünen Zimmers und vergleichen es mit den Klimabedingungen in der „unbepflanzten“ Umgebung. Auch die Aufenthaltsqualität und die Vegetationsentwicklung werden analysiert. Die Untersuchungsergebnisse fließen in die gemeinsame Forschung mit anderen europäischen Partnern ein. Die bis 2016 laufenden EU-Projekte sollen am Ende zu einer auf andere europäische Städte übertragbaren „Integrierten Strategie für den Nachhaltigkeitswandel“ führen.